Test: F1 2017 (PS4)

Der jährliche Formel-1-Ableger mit offizieller Lizenz von Codemasters macht vieles richtig und gibt nur wenig Grund zum Nörgeln. Wir sehen uns das Spiel zur “Königklasse” des Motorsports genauer an!

Zehn Teams, zwanzig Fahrer, ein Ziel: den Grand Prix gewinnen und Weltmeister werden. Wer sich etwas auskennt in der Welt Formel 1 weiß, dass dieses Ziel nur für sehr wenige Fahrer in Erfüllung gehen wird. Die Formel 1 hat seit ihrer Entstehung ein zum gewissen Grad offenes Reglement, was die Konstruktion der Fahrzeuge angeht. Jedes Team entwickelt mehr oder minder eigenständig, nach bestimmten Vorgaben, ihr Auto. Nicht nur der beste Fahrer gewinnt; das Team aus Ingenieuren, Mechanikern, Elektroniker, IT-Fachleuten ist genauso wichtig. Und damit verbunden auch, wie viel Geld einem Team zur Verfügung steht. Wer sich die besten Ingenieure, und davon sehr viele, leisten kann, hat deutlich bessere Chancen. Das Mercedes Team überlegt sicher nicht lange, ob sich ein verbessertes Bauteil für eine Million Dollar lohnt, wenn man dadurch eine Zehntelsekunde schneller fährt; die Antwort ist ja. Andere Teams müssen ökonomischer denken, was die Finanzen betrifft.

F1 2017 nimmt euch mit in die Welt des Glamours, der Geschwindigkeit, der Technik, und versucht sowohl Fahrer- als auch Teamseite adäquat darzustellen. Ihr schlüpft entweder in die Rolle eines realen Fahrers und erstellt im Karrieremodus euren eigenen. Wirklich drastische Änderungen, die das Spiel gehörig umkrempeln, bleiben aus – man fühlt sich vertraut mit Spielmodi, Fahrgefühl und Rennaction. Alles davon soll euch den Motorsport so greifbar wie möglich machen. Team-interne oder -externe Rivalitäten mit anderen Fahrern werden ausgetragen, in dem schnellste Runden, Unfallfreiheit, Podiumsplätze und Rennergebnisse, und Qualifikationszeiten verglichen werden. Im Formel-1-Sport ist es wichtig, sich gegen vergleichbar starke Teams und vor allem den Teamkollegen gegenüber zu behaupten, da aufgrund der Natur des Sports eine Platzierung nicht unbedingt aussagekräftig ist über die Fertigkeiten eines Fahrers. Wer also in seiner Karriere das Team wechseln möchte, muss an seinem Ruf arbeiten und entsprechende Ergebnisse liefern. Soweit gibt es im aktuellen Spiel keine großen Neuigkeiten. Schon seit dem Vorgänger könnt ihr von Beginn an unser Wunschteam aussuchen; egal ob Ferrari, Mercedes oder Sauber. Es ist nicht zwingend notwendig bei einem schwachen Team zu starten. Mit welcher Motivation ihr also den Karrieremodus spielt, beispielsweise euch vom schwächsten Team über mehrere Saisons zum Topteam hochzuarbeiten, ist euch überlassen.

Die Entwicklung des Autos im Karrieremodus ist nun komplexer als in den Vorgängern und die möglichen Upgrades zahlreicher. Diese müsst ihr, wie in einem Rollenspiel, mit Punkten erkaufen. Die wertvollen Ressourcenpunkte bekommt ihr durch die Teilnahme an speziellen Trainingsprogrammen (zum Beispiel reifenschonendes Fahren oder Ermittlung der Rennstrategie), am Qualifying und natürlich am Rennen. Je besser ihr überall abschneidet, umso mehr Punkte gibt es. Je nach euren Zukunftsplänen – ob ihr schnell von einem Team zum anderen wechseln oder so lange bei McLaren Honda fahren wollt, bis ihr Weltmeister werdet – müsst ihr euer Auto differenzierter und klug entwickeln.

Aber nicht nur im Karrieremodus hat sich etwas getan, sondern auch auf der technischen, nicht-sichtbaren Seite. Der Verschleiß des Getriebes, und der insgesamt sechs Motorkomponenten, muss verwaltet werden. Abgenutzte Teile wirken sich negativ auf Leistung und Funktionen aus; unterschiedliche Motorprogramme können ausfallen und wer sein Getriebe zu sehr belastet kann verzögerte Schaltvorgänge bekommen oder Gänge gar ganz verlieren.

Außerdem gibt es seit F1 2013 erstmals wieder einige F1-Boliden jener Tage, wo noch mindestens acht Zylinder im reinen Verbrennungsmotor arbeiteten. Angefangen mit dem 1988er McLaren, über den 1992er Williams, bis zum 2010er RedBull und noch einigen mehr – inklusive Originalsounds! Man merkt jedoch, dass eine authentische Implementierung weitaus mehr Ressourcen benötigt, als die Entwickler, die sich auf die aktuelle Saison fokussieren, aufbringen können. Zwar fahren sich die Autos tatsächlich etwas unterschiedlich und der Sound passt auch. Dennoch ist das Fahrgefühl noch zu sehr “2017”, und man merkt, dass die Sound-Engine für Hybridmotoren optimiert wurde: Es fehlt den klassischen Autos trotz V8, V10 oder V12, stets an Wucht. Trotz Classic-Content fehlen leider jene Strecken wie Imola oder Brands Hatch, die es 2013 noch gab.

Die Grafik hat sich etwas weiterentwickelt, bleibt aber stark hinter den heutigen Möglichkeiten zurück. Ich habe den Eindruck, dass Dirt Rally (knapp anderthalb Jahre älter) deutlich besser aussah: mehr Polygone, bessere Texturen und realistischere Beleuchtung. Auch wenn F1 in Nahaufnahmen wirklich schick aussieht, ist das Level of Detail (LoD) gerade in der Konsolenversion von F1 2017 so gering, dass schon bei mittlerer Entfernung die Rennwagen aussehen wie Spielzeugautos aus Plastik. Wenn dann noch Schatteneffekte in großer Distanz fehlen und die Beleuchtung aus einem eigentlich silberglänzenden Mercedes ein grau-mattiertes Spielzeug macht, sieht das alles andere als nach 2017 aus – nicht einmal nach 2014. Hier haben Assetto Corsa, Project Cars, Forza 7 und GT Sport die Nase um Längen vorn.

Ansonsten bekommt ihr die gewohnte F1-Action. Überholmanöver mit DRS auf Geraden, mit frischeren Reifen in Kurven; Rad-an-Rad-Duelle; defektbedingte Ausfälle oder gar Unfälle; Safety-Car-Phasen mit fliegenden Neustarts und geänderter Boxenstoppstrategie, wenn es anfängt zu regnen. Neben der Strecke schraubt ihr am Setup des Wagens, um ihn vom Verhalten der Strecke anzupassen, mehr aber, um ihn eurem Fahrstil anzupassen. Die Möglichkeiten halten sich im Vergleich zu echten Rennsimulationen in Grenzen und sind vereinfacht dargestellt. Die Änderungen wirken sich jedoch tatsächlich auf das Fahrverhalten aus und können den Unterschied zwischen ‘gut fahrbar’ und ‘schwer zu kontrollieren’ machen; und damit auch, wie schnell ihr seid. Dank der authentischen Trainingseinheiten habt ihr genug Zeit, euch mit Strecke und Setup vertraut zu machen. Solltet ihr keine Lust haben, die ganzen beispielsweise 90 Minuten des Trainings zu nutzen, könnt ihr in der Boxengasse über euren Board-Monitor Tabellen mit den Zeiten eurer Gegner anzeigen lassen; die Wettervorhersage für die aktuelle Veranstaltung oder kommende wie Qualifying und Rennen; Updates und Zustand eures Autos; oder ihr seht den anderen KI-Fahrern beim Fahren auf der Strecke zu. Das kann manchmal tatsächlich hilfreich sein, wenn ihr euch bei wechselhaften oder nicht eindeutigen Wetterbedingungen unsicher seid, welche Reifenwahl die wohl möglich Beste ist.

Die anderen Fahrer zu beobachten, kann auch im Rennen hilfreich sein, denn manchmal müsst ihr strategisch wichtige Entscheidungen treffen. Angenommen, ihr seid gerade im Boxenstoppfenster für frische Trockenreifen, weil eure alten langsam anfangen sich aufzulösen. Laut eurem Renningenieur beginnt der Regen jedoch in etwa zehn Minuten. Zögert ihr den Boxenstopp hinaus, und fahrt weiter mit den alten Reifen, riskiert vielleicht einen Reifenschaden? Hofft ihr auf einen leichten Regen, so dass ihr nach einem Wechsel, bei langsam nass werdender Strecke, noch genug schnelle Runden auf den Trockenreifen fahren könnt? In den meisten Fällen schlägt euer Renningenieur euch alternative Strategien vor, die euch bei solchen Entscheidungen helfen. Denn je nachdem wie reifenschonend ihr fahrt, kann sich euer Boxenstoppfenster nach hinten verschieben, so dass ihr etwas flexibler seid. Auch das berücksichtigt euer Renningenieur.

Die anfängliche Boxenstoppstrategie, bezüglich Spritverbrauch und Reifenhaltbarkeit, basiert auf zwei Informationen: die Vorgaben und berechneten Werte des Teams, und die in der Praxis tatsächlichen ermittelten Werte durch eure Teilnahme an den Trainingseinheiten. Wenn ihr im Training besonders reifen- oder spritschonend fahrt, könnt ihr im Rennen vermutlich mit weniger Boxenstopps auskommen und mit weniger Sprit an den Start gehen – vorausgesetzt ihr fahrt dann auch wie im Training, das als Grundlage der Daten dient. Jede Strategie zeigt euch vor dem Rennen außerdem die theoretische Renndauer an, so dass ihr gleich erkennt, welche die schnellere Strategie ist.

In den Genuss wirklich authentischer Boxenstoppstrategien und Rennerfahrungen kommt ihr jedoch nur, wenn ihr 100% der realen Renndistanz angeht. Zwar skaliert der Spritverbrauch und Reifenverschleiß bei weniger Runden. Doch nur bei volle Renndistanz habt gegebenenfalls genug Zeit, zusätzliche Boxenstopps durch weichere und damit schnellere Reifen wieder herauszufahren. Diese Zeit fehlt euch meist bei kürzeren Rennen, so dass hier gilt: je weniger Stopps, desto besser.

F1 2017 bietet also in vereinfachter Form das, was den Sport ausmacht. Zu welchem Grad, liegt in vielen Fällen bei euch, da das Spiel viele Anpassungsmöglichkeiten bietet im Grad des Realismus, im Umfang der Wochenenden und Renndauer, und in Schnelligkeit der künstlichen Intelligenz auf den Stufen 1 bis 110.

Wer schon an den Vorgängern Gefallen gefunden hat, wird aufgrund der Verbesserungen und aktuellen Lizenz auch hier Spaß haben. Egal ob Neuling oder Erfahrener, das Spiel macht einfach Laune. Rennsimulations-Enthusiasten, die eher Wert auf eine realistische und anspruchsvolle Fahrphysik legen als auf den Formel-1-Zirkus, sollten in Richtung Project Cars 2 oder Assetto Cars schauen. Beide Spiele bieten zwar Formel-Autos – Assetto Corsa sogar offiziell lizensierte. Aber keines liefert eine solch bündige und komplette F1-Erfahrung wie F1 2017.

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