Schnallt euch an, setzt die Sonnenbrille auf, legt eure Lieblingsmucke auf und fahrt dem Sonnenuntergang entgegen. In SnowRunner habt ihr alle Zeit der Welt und es gibt keine Uhr und Gegner, gegen dir ihr antretet.
Früher habe ich Leute, die Spiele wie Euro Truck Simulator spielen, etwas belächelt. Den Reiz und die Herausforderungen, die solche Spiele auszeichnen, konnte ich nicht nachvollziehen, dabei gehöre ich selbst zu den Simulation-Fans, wenn es etwa um Rennspiele geht. Die Frage, “und man fährt einfach nur von A nach B?” könnte man dort genauso stelle, oder anders formulieren: “Man fährt nur im Kreis?”. Letztendlich ließe sich beinahe jedes Spiel auf ein paar unspektakulär klingende Wörter herunterbrechen, was ihm selten gerecht wird. Deshalb sprang ich über meinen Schatten und konnte SnowRunner, den Nachfolger zu MudRunner, testen. Und auch wenn jetzt schon sagen kann, dass es kein Spiel sein wird, in dem ich hunderte Stunden investieren werden, verstehe ich, was diese Art von Spiel ausmacht.
Eine richtige Geschichte bietet SnowRunner nicht, auch wenn Texteinblendungen im Spiel hin und wieder vermitteln wollen, dass ihr der lokalen und kleinstädtischen Bevölkerung bei diversen Aufgaben wie Lieferungen oder Bergungen helft. In Wirklichkeit geht es aber um eure Aufgabe und die Beherrschung von Maschine und Gelände. In SnowRunner ist der Weg das Ziel. Die Erkundung und vor allem wie ihr eine Aufgabe löst, steht im Vordergrund. Zum Beispiel: Beschafft eine Einheit Bauholz vom örtlichen Sägewerk und eine Einheit Metalplatten vom Metallwerk und bringt diese Materialien zur Baustelle. So beschrieben klingen natürlich selbst die epischsten Quests aus Actionrollenspiel schlicht. Die Essenz steckt wie so oft in den Ereignissen zwischen Anfang und Ende und die Belohnung ist – neben Geld und XP für neue Fahrzeuge und Fahrzeugteile – das Freischalten neuer Wege und Abkürzungen, die zukünftige Strecken fahrbarer und kürzer machen, wenn z.B. Brücken gebaut werden und ihr euch weite Umwege sparen könnt.
Ich nehme also einen Auftrag via Menü an oder durchs Aktivieren in der Spielwelt. Ich suche mir dann auf der Karte den kürzesten Weg zum Metallwerk, fahre los und bleibe schon wenig später hoffnungslos im tiefen Matsch stecken. Noch bin ich nicht weit entfernt von der Garage, die als Spawnpunkt dient, und Ladung habe ich auch noch nicht bei mir. Die würde ich nämlich verlieren, wenn ich den einfachen und feigen Ausweg nehme und mich zurücksetzen lassen. Ich probiere es also erneut. Und bleibe wieder stecken. Ich probiere es wieder und versuche mich dieses Mal mit der Seilwinde meines Fahrzeuges durch den Matsch zu kämpfen, reiße dabei alle Bäume aus und habe irgendwann keine Befestigungspunkte mehr. Ich bleibe stecken. Wieder. Offenbar mache ich etwas grundsätzlich falsch. Irgendwann merke ich, dass mein Fahrzeug für Highways gebaut wurde, keine Offroad-Bereifung und keinen 4×4-Antrieb hat. Während ich erstmal einer anderen, einfacheren Aufgabe nachgehe, finde ich ein Fahrzeug, das gleich in meinen Besitz übergeht als ich nah genug heranfahre. Neu in meiner Sammlung: Ein Fahrzeug mit Allrad-Antrieb und ordentlicher Motorleistung unter der Haube. Ich baue zur Sicherheit größere Reifen an und wühle mich mit neuem Untersatz langsam aber effektiv durch den Matsch, der vorher unbezwingbar schien. Nach diesem Erfolgserlebnis stellte sich mir etwas später das nächste Hindernis in den Weg: ein Fluss mit zahlreichen, tiefen Stellen, die meinen Motor ertränken würden.
Den Ausgang lasse ich offen, denn SnowRunner erzählt zahlreiche solcher Geschichten und auch wenn der Anfang bei vielen erstmal ähnlich aussieht, wird jeder seine eigene, einzigartige Erfahrung machen in der großen, offenen Welt, die vier unterschiedliche Gebiete enthält. Jedes Gebiet hält dabei unzählige kleinere Aufgaben wie das Erreichen eines Aussichtspunktes oder längere Aufträge, wie das Anliefern unterschiedlicher Materialien, bereit. Die Welten dienen nicht nur als Tapetenwechsel, sondern bieten unterschiedliche Beschaffenheiten der Straßen und Wege, die ihr überwinden müsst.
Diese Erfahrung allein mag sicher nicht jeden überzeugen, weshalb SnowRunner definitiv ein Nischen-Spiel ist, dass aber grafisch beeindruckt und als Simulation sehr genau funktioniert. Ihr habt Kontrolle über Drehzahl, Differenzial und Lastverteilung. Der Boden ist dynamisch und veränderlich: Fahrt ihr oft über ein und dieselbe Stelle, bilden sich Furchen. Zu viel Gas gräbt euch nur tiefer in den Schlamm und eine Vollbremsung auf Schnee- und Eispisten ist generell keine gute Idee, wenn mehrere Tonnen Last euch anschieben.
Wer Geduld mitbringt und kein Adrenalin sucht, aber trotzdem ein Faible für Simulationen hat, ist mit SnowRunner genau richtig beraten. Außerdem lässt sich das Spiel komplett kooperativ mit bis zu vier Spielern spielen.
SnowRunner ist für PC, Xbox One und PS4 für 39,99 EUR erhältlich.