Reiz des Abenteuers oder warum Point & Click Adventures faszinieren

Resonance PC Game

Für Point & Click Adventures (kurz P&C’s) gibt es noch immer einen Markt. Das beweisen die zahlreichen Veröffentlichungen aus der deutschen Ecke von Daedalic Entertainment oder Spiele wie Technobabylon, Blackwell, Primordia oder Gemini Rue aus der Indie-Ecke.

Ich bin heute auf das Thema gekommen, als ich durch meinen Wohnort spazierte und in mir Erinnerungen an Runaway 3 aufblitzten. Und zwar erst von einer ganz speziellen Szene und später von weiteren, an die ich mich sehr genau erinnern konnte. Wenn ich etwas herumwühle, erinnere ich mich auch an Schlüsselszenen aus Uncharted oder einem Tomb Raider. Aber das gleiche Gefühl, was ich bei den P&C’s empfinde, schwingt nicht mit und verblasst ziemlich schnell als kurzweilige Unterhaltung.

Das klingt beinahe nach einer Abwertung solcher Spiele. Dabei liebe ich die Uncharted- und Tomb-Raider-Serie! Mit kaum einem anderen Action-Adventure hatte ich mehr Spaß. Aber die Betonung hier liegt nicht umsonst auf Action. Action ist schnell. Action ist intellektuell anspruchslos und vor allem ist sie kurzweilig wie ein Adrenalin-Trip. Wann hattet ihr euren letzten? Wenn ich kurz nachdenke, hatte ich meinen als ich schnell auf das Bremspedal springen musste, weil jemand im Straßenverkehr vor mir ausscherte. Ja, das kann sein.

Dying Light
Dying Light

Während einer Actionszene in z.B. Dying Light ist man viel mehr auf sich, die Steuerung und dem momentanen und schnellen Geschehen konzentriert. Wie in einem Multiplayer-Shooter (z.B. Battlefield) muss man blitzschnell Situationen analysieren, bewerten und dann reagieren. Da bleibt keine Zeit für’s Sightseeing! Genau diese Zeit habt ihr jedoch in fast allen P&C’s. Zumindest zum größten Teil der Spielzeit, wenn man ein paar zeitkritische Passagen in einigen Spielen vernachlässigt.

Dabei muss das Spiel noch nicht einmal die Kunst des Pixelhuntings betonen. Man verbringt in den meisten Adventures unglaublich viel Zeit in einer einzigen Kameraeinstellungen. Sei es durch halbüberlegtes oder wildes Herumkombinieren von Item- oder Dialogmöglichkeiten oder doch das akribische Absuchen des Bildes. Dabei bekommen wir häufig eine exakte, unveränderliche Szene gezeigt, die sich in unseren Erinnerungen leicht einbrennen können. Es gibt keinen Tag-Nacht-Wechsel und nur selten Reize, auf die wir schnell und intuitiv reagieren müssen. Man schaltet einen Gang runter oder sogar ganz ab. Natürlich nicht den Grips, es sei denn man möchte dieses Bild, bei dem man gerade stecken bleibt, für den Rest seines Lebens mit dem Spiel assoziieren (ja, es gibt manchmal schon echt bescheuerte Rätsel, die einen in den 90er Jahren, so ganz ohne Google und Online-Walkthroughs, hätten tagelang vor der selben Szene sitzen lassen können).

Runaway 1
Runaway – A Road Adventure

Man steht nicht unter Spannung und kann die Momente auf sich wirken lassen. Und Charakterzeichnung und Plot-Dramaturgie müssen nicht minder entwickelt sein, als in action-orientierten Spielen. Natürlich können filmisch inszenierte Zwischensequenzen unglaublich dramatisch visualisiert werden. Aber die Buchleser unter euch, wissen, dass man nicht immer physische Bilder benötigt.

Und dennoch leben P&C’s von ihren Bildern, die keinen Raum für grobe Fehler oder Fehler an Details zulassen. Die eine oder andere verschwommene Textur oder hässliche Geometrie lässt sich in einem Call of Duty leicht kaschieren. Nicht aber, wenn ich minutenlang das selbe Bild anstarre und aufgrund von Gameplay-Mechaniken nach Details oder gar nach Auffälligkeiten in solchen suchen muss.

Das erinnert mich ein bisschen an das dunkle Frühmittelalter der Videospielgeschichte, als man den Spieler nicht mit bunten Erfolgsgrafiken oder lebensechten Partikeleffekten zum Abspann schleifen konnte. Hier musste das Gameplay überzeugen! Als die Spiele zunehmend komplexer wurden, war man sogar in der Lage komplexe Geschichten, die man sonst nur aus Film und Buch kannte, interaktiv erlebbar zu machen.

Fallout 2
Fallout 2

In Fallout 1 und 2 waren die Animationen in den Kämpfen zahlmäßig rar und insgesamt starr. Oft malte ich mir selbst aus, wie meine Figur oder der Gegner sich in diesem Moment wohl tatsächlich bewegen würde. Es war wie ein grafikgestütztes, spielbares Buch. Gestört hat es nicht. Warum auch, man kannte ja nichts anderes!

Als dann zur Jahrtausendwende jeder meinte, auf den holprigen, polygonarmen 3D-Zug aufspringen zu müssen, der auf groben und klotz-ähnlichen Schienen fuhr, ging etwas Magie verloren. Während man sich sonst an schön gezeichneten 2D-Sprites ergötzen konnte und einem die Diskrepanz zur Realität stets bewusst war, versuchte die Grafik der Realität immer näher zu kommen. Das Resultat war damals vielleicht außergewöhnlich, aber rückblickend betrachtet eher grausam. Hässliche und kantige Geometrie, langweilige und unschöne Effekte. Da hilft auch keine Vorstellungskraft mehr, wenn mir so deutlich die Realität vermittelt werden soll.

Rise of the Tomb Raider
Rise of the Tomb Raider

Das jedoch entwickelte sich zu heutzutage äußerst erstaunlichen und ansehnlichen Ergebnissen (siehe Rise of the Tomb Raider, Ryse, Arkham Knight). Und das Gameplay? In vielerlei Hinsicht flüssiger und weniger holprig, aber insgesamt macht man noch den selben Kram wie vor 20 Jahren. Ich erinnere mich dabei an Battletoads (1991), das ein unglaublich variantenreiches Gameplay bot. Vom klassischen Plattforming, über Beat’em-Up-Einlagen oder Rennspielanleihen bis hin zu Railroad-Mechaniken. Zum Beispiel muss man man in einem Level sich an einem Abgrund abseilen und konnte dabei nach links und rechts ausweichen, schlagen oder das Abseilen beschleunigen oder verlangsamen. Nicht wirklich typisch für 2D-Scroller oder klassische Plattformer.

Wirklich innovatives Gameplay findet man heutzutage nicht oft, weshalb es schön ist, auf einen modernem P&C-Segelschiff zurück in die Vergangenheit zu segeln. P&C’s bieten immer noch das gleiche Gameplay wie vor vielen Jahren. Dazu aber mit vollständiger und professioneller Vertonung der Texte und hochauflösender Grafik und Klangkulisse.

Titanfall
Titanfall

Allerdings benötigt man Zeit. Erfolge, die das Motivationszentrum anregen, sind in tempogeladenen Spielen schneller zu erzielen. Was dort in Sekunden oder spätestens in Minuten mehrfach eintritt, kann in einem P&C auch schon mal gut eine Stunde dauern. Etwas, was auch Dark-Souls-Fan sicher verstehen.

Denn noch gibt es sie. Die Sparte der anspruchsvollen Games, die sich nicht wie eine schnelle Nummer auf dem versifften unisex Klo einer schäbigen Diskothek anfühlen (wie ich hörte!). Dort muss Arbeit und Zeit investiert werden. Doch die Belohnung und das Glücksgefühl ist umso größer, wenn man in Bloodborne endlich einen Endboss besiegt oder in XCOM eine Mission im Ironman-Modus ohne Verluste abschließt. Genau dieses Gefühl, welches sich einstellt, wenn man Point-&-Click-Adventures komplett ohne Walkthrough durchspielt und dies heroisch in seiner Stammrunde verkündet. Oder wenn man genießt und schweigt und weiß, dass man es einfach drauf hat.

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